Und plötzlich hilflos

Ich habe mich kürzlich einer Operation unterziehen müssen und war einige Wochen ausser Gefecht. Der Erholungsprozess verläuft plangemäss – ich Glückliche darf bald vollständig auskuriert ins Arbeitsleben zurückkehren.

Diese unfreiwillige Auszeit war nicht einfach. Tatenlos zu sein ist für mich sehr ungewohnt, wenn auch nötig für die vollständige Genesung. Eine echte Herausforderung für mich aber war, plötzlich auf Hilfe angewiesen zu sein, in kleinsten und selbstverständlichsten Dingen des Alltags.

So gelang es mir nach dem Eingriff nicht, ohne Hilfe aus dem Bett zu steigen. Und als ich wieder daheim war, brauchte ich die Unterstützung von Nachbarn und Angehörigen, die mir einmal ein Postpaket, ein anderes Mal den Wäschekorb hinterhertrugen.

Auf Hilfe angewiesen zu sein, ist für viele von uns eine unangenehme Erfahrung. Oft haben wir das Glück, dass unsere Hilfsbedürftigkeit temporär ist. Doch gibt es Menschen, die für immer auf Hilfe angewiesen sind. Und nicht selten trifft es sie in intimen Lebensbereichen: zum Beispiel den behinderten oder betagten Menschen, der die eigene Körperwäsche nicht (mehr) bewerkstelligen kann, oder die armutsbetroffene Person, die den Gang zum Sozialamt antreten muss. Das wünscht sich niemand und weckt auch Schamgefühle.

Doch wer bestimmt eigentlich, welche Inanspruchnahme von Hilfe gesellschaftlich akzeptiert ist, und welche nicht? Holen wir uns mangels Fachkenntnisse oder Zeit einen IT-Spezialisten oder eine Putz-Equipe zu Hilfe, ist das in Ordnung oder gar ein Privileg. Brauchen wir die Spitex und die Sozialhilfe, reden wir weniger gerne darüber.

Die gemachte Erfahrung als Person, die auf Hilfe angewiesen ist, erfüllt mich mit Demut. Ich sehe es nicht mehr als selbstverständlichste Sache der Welt, den Alltag meistern zu können. Umso wichtiger sind Institutionen, die da sind für Menschen, die Hilfe benötigen – für wie lange auch immer.

Und natürlich bin ich froh um die Hilfe im Spital, wo ich Hilfeleistung nicht als Ausübung eines Jobs, sondern als echte Haltung erlebt habe. Ich bin froh um die Hilfe aus Nachbarschaft und Familie, denen ich ebenfalls zur Seite stehen will, wenn sie mich brauchen. Und ich bin froh um die Hilfe meiner Kollegin und der Kollegen aus dem Stadtrat sowie meiner Mitarbeitenden, die zu ihrer eigenen Arbeit auch noch meine Aufgaben gebuckelt haben. Sie alle haben dazu beigetragen, dass ich entspannt und zügig wieder gesund und fit werden konnte.

Christa Meier
Vorsteherin Departement Bau, Stadt Winterthur