Welche Empörung ist gerechtfertigt?

Die Empörung über die jungen Menschen war gross, als sie sich vor dem Gotthardtunnel auf der Autobahn festklebten, den ohnehin grossen Stau verschlimmerten und die Automobilistinnen und Automobilisten daran hinderten, in die Osterferien gen Süden zu gelangen. Die Jungen protestierten, weil sie ein Zeichen setzen wollten gegen die Generation an der Macht, die «nicht» oder «zu wenig» oder «zu langsam» agiere im Kampf gegen den Klimawandel. Sie fühlten sich machtlos und zu wenig ernst genommen, wenn es um das Erreichen der Klimaziele gehe, begründeten sie ihre Aktion. Natürlich verärgerte und empörte dies wiederum die Ferienfahrerinnen und -fahrer.

Empörung kämpft an gegen Empörung. Aber sind wir ehrlich: Wer macht hier eigentlich Probleme? Sind es die Jungen, die sich inmitten des Osterstaus mit einer (friedlichen) Protestnote Gehör verschaffen? Oder ist es die Tatsache, dass Jahr für Jahr zigtausend Ferienhungrige im Auto gleichzeitig in die gleiche Richtung und zurückfahren?

Die jungen Menschen sind die Verantwortungsträgerinnen und Verantwortungsträger von morgen. Sie dürfen von unseren Errungenschaften profitieren, und sie müssen auch unsere Verfehlungen reparieren. Der Klimaschutz ist eine der offensichtlichsten Herausforderungen, welche sie zu stemmen haben. Die Jungen sind auch die Fach- und Arbeitskräfte von morgen. Auf sie werden wir angewiesen sein, in naher und in ferner Zukunft.

Ich war auch einmal jünger und habe mich in den 90er Jahren sehr über das Apartheid-System in Südafrika empört. Ich fand auch die jahrzehntelange, wegschauende Haltung der Schweiz, welche mit Südafrika gute Geschäfte machte, inakzeptabel und setzte mich mit vielen anderen an Demonstrationen für mehr Gerechtigkeit ein. Ich empörte mich über die Nicht-Wahl der Bundesratskandidatin Christiane Brunner und protestierte an diesem denkwürdigen 3. März 1993 auf dem Bundesplatz.

Empörung bewegt und sensibilisiert, Empörung politisiert und führt junge Menschen schliesslich auch in die Verantwortung. Junge prägen und verändern die Welt von Morgen – auch zum Guten wohlverstanden. Wir sind auf sie angewiesen und sollten ihr Engagement würdigen.

Darum begrüsse ich es, dass sich junge Menschen empören. Ihre Empörung ist Ausdruck dafür, dass sie sich mit ihrer eigenen Zukunft und ihrer Rolle darin beschäftigen. Welche Empörung ist also gerechtfertigt?

Christa Meier
Vorsteherin Departement Bau, Stadt Winterthur