Winterthur zieht an – ziehen wir mit

Tausende Stadtzürcherinnen und -zürcher ziehen nach Winterthur – so lautete kürzlich eine Schlagzeile. Es gab Zeiten, da war das umgekehrt. Inzwischen bildet sich im Kanton Zürich eine zweite urbane Grösse. Winterthur die Metropole! Warum nicht? Ein bisschen mehr Selbstbewusstsein schadet uns gewiss nicht.

Früher war es der Mietpreisdruck. Er drängte die Menschen aus der Hauptstadt. Aber als günstige Wohn-Alternative dient inzwischen auch Winterthur nicht mehr. Heute zieht es urbane Menschen an, weil Winterthur zur Trendstadt geworden ist.

Nun macht sich der eine oder die andere vielleicht Sorgen, dass der Druck die Lebensqualität schmälert oder die Kosten in die Höhe treibt. Dazu ein Gedanke: Wir können die unabwendbare Entwicklung auch als grosse Chance sehen. Nicht nur gehört der berühmte Winterthurer Minderwertigkeitskomplex endgültig in die Mottenkiste. Wir sind auch gut darauf vorbereitet, wie wir in den nächsten Jahrzehnten Flächen optimal nutzen, Infrastruktur für Mobilität, Schulen, Gewerbe oder Wohnen bereitstellen und auch den Herausforderungen des Klimawandels gerecht werden.

Die kantonale Raumplanung geht davon aus, dass das Bevölkerungswachstum zu 80 Prozent in den urbanen Zentren stattfindet, also vor allem in und um Zürich und Winterthur. Der Boden wird darum kaum günstiger. Nun kommt ein neuer gesetzlicher Mechanismus ins Spiel, der im Falle einer Umzonung die Bauherrschaften dazu verpflichtet, bis 40 Prozent des gestiegenen Werts in die Lebensqualität zu stecken. Die betroffene Quartierbevölkerung profitiert direkt davon, sei es mit Begegnungszonen, mit mehr Grünraum und Gewässerzugang, oder mittels innovativem Mobilitätskonzept.

Winterthur hat dieses Prinzip übrigens längst erfolgreich erprobt. So beteiligt sich das Bauunternehmen Implenia an der Aufwertung des Lokstadt-Quartiers, indem es auch gemeinnützigen und günstigen Wohnraum bereitgestellt, den Begegnungsort Dialogplatz installiert und mit schattenspendenden Bäumen viel Grünraum geschaffen hat.

Und noch ein letzter Gedanke: Lange Zeit mussten Quartiere um ihre Lädeli bangen, kleine Kulturprojekte waren mangels Nachfrage gefährdet. Der Zuzug aus Zürich mit vielfältig interessierten Menschen eröffnet diesen so wichtigen Nischenangeboten neue Perspektiven. Denn auch Nachfrage und Kundschaft werden grösser und vielfältiger. Auch die Kleinen profitieren. Winterthur zieht an – ziehen wir mit.

Christa Meier
Vorsteherin Departement Bau, Stadt Winterthur