Frühlingserwachen in schwierigen Zeiten

Am Sonntag beginnt die Sommerzeit. Ich geniesse die immer helleren Tage, das Vogelzwitschern und die Vorfreude auf knospentreibende Bäume und Büsche, die Farbenpracht der Natur! Das Wandeln auf saftig grünen Wiesen und durch herb duftende Wälder tut mir gut, es lenkt mich etwas ab von der beängstigenden geopolitischen Lage, in welcher wir uns zurzeit befinden.

Wir erleben eine Zeit grosser Verunsicherung: Der Klimawandel, die Corona-Pandemie, deren Auswirkungen wir noch immer spüren, und neuerdings das Zerwürfnis der transatlantischen Beziehungen. Wir dürfen uns unserer einstigen Verbündeten nicht mehr sicher sein. Werte wie Respekt, Anstand und Verlässlichkeit scheinen zu erodieren. Europa, und mit der Europäischen Union auch die Schweiz, halten die Stellung. Aber können wir unsere lange für selbstverständlich gehaltenen demokratischen Grundwerte bewahren und verteidigen?

Viele Menschen sind – genauso wie ich – verunsichert. Einige ziehen sich aus den politischen Diskussionen zurück, wenige Mutige lehnen sich auf, andere verzweifeln, weil gegen den übermächtigen Populismus kaum ein Kraut zu wachsen scheint. Es herrschen Angst, Frustration und Wut, weil wenige Mächtige mit dem Wohl so vieler Menschen spielen.

Meine Strategie in diesen Zeiten lautet: jetzt erst recht unsere Werte zu pflegen. Und gerade auch im politischen Diskurs: Respekt, Anstand und Verlässlichkeit vorleben! Und wie erwähnt suche ich meine persönlichen Glücksmomente auf Wald- und Wiesenspaziergängen.

Und welche Strategie haben Sie? Ich bin sicher, auch Ihnen liegt viel an diesen Werten, und sicher finden auch Sie Gelegenheiten, diese in Ihrem Alltag, in Ihrem Handeln, im Diskurs mit anderen Menschen einzubetten. Ich möchte Sie aber auch dazu einladen, sich Gedanken zu machen, was Ihnen ganz persönlich in diesen Tagen guttut – und danach zu leben.

Das Frühlingserwachen unterstützt uns dabei – erfreuen wir uns an der Schönheit der Natur, nähren wir uns an ihrer Kraft, die jedes Jahr ein neues Wunderfeuerwerk an Pracht und Blüte entzündet. Selbst die Blütenpollen, über die sich viele von uns – ob allergisch oder nicht – ärgern, reduzieren sich angesichts der Lage zu einem unbedeutenden Nebeneffekt.

Zu Sinn und Unsinn der Zeitumstellung könnten wir uns an guten Tagen in endlose Diskussionen verstricken. Lassen wir es für einmal und geniessen wir ab sofort wieder die bevorstehenden helleren Abende.

Christa Meier
Vorsteherin Departement Bau und Mobilität, Stadt Winterthur